logica nuntium

"Reductio ad absurdum"


Argutus rerum existimator

In der Logik gibt es ein sehr mächtiges Hilfsmittel um von Dingen, über die man sonst nur wenig zu wissen braucht, dennoch eines mit absoluter Sicherheit sagen zu können: dass es sie nämlich nicht gibt. Man nennt das die Reductio ad absurdum (also die Zurückführung auf das Unsinnige). Dabei werden aus der Existenz-Behauptung eines Objekts Schlüsse gezogen, die aufzeigen, dass die Eigenschaften dieses Objekts entweder miteinander oder aber mit anerkannten Fakten in unauflösbarem Widerspruch stehen. Die Nicht-Existenz des besagten Objekts ist dann gesichert und steht deshalb fortan außer Frage.

In der Mathematik macht man davon reichlichen Gebrauch. Das berühmteste Beispiel dafür ist die Erkenntnis, daß es unendlich viele Primzahlen gibt. Dabei ist eine Primzahl eine natürliche Zahl (1, 2, 3 …) mit folgenden Eigenschaften: Sie muß größer sein als 1 und sie darf durch keine natürliche Zahl ohne Rest teilbar sein ausgenommen durch 1 und durch sich selbst. Die Reihe der Primahlen beginnt also mit 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19 etc. Es gibt unendlich viele davon (das besagt der Satz von Euklid). Aber wieso weiß man das?

Dazu bedient man sich eben dieser Reductio ad absurdum, die in der Mathematik "indirekter Beweis" genannt wird. Zu diesem Zweck nimmt man einmal an, es gäbe nicht unendlich sondern nur endlich viele Primzahlen. Ausgehend von diesen endlichen Anzahl von Primzahlen läßt sich aber auf wenigstens eine weitere schließen, von der man beweisen kann, dass sie sowohl größer als die "größte Primzahl" als auch ebenfalls eine Primzahl ist.

Somit ergibt sich: Aus der Annahme, dass es eine größte Primzahl gibt, folgt logisch, dass es eine noch größere gibt. Das ist ein Widerspruch und deshalb ist klar: es gibt keine größte Primzahl. Man könnte auch sagen, daß der Begriff "größte Primzahl" einen inneren Widerspruch enthält, der zwar bei flüchtiger Betrachtung nicht auffällt, aber dennoch besteht, und das damit Gemeinte unmöglich macht.

Ebenso berühmt aber unter Nicht-Mathematikern viel weniger bekannt ist die Russellsche Antinomie. Bertrand Russell entdeckte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass die Basis der damaligen naiven Mengenlehre falsch sein mußte. Das ergab sich zwingend daraus, dass es in ihr möglich war, eine Menge mit widersprüchlichen Eigenschaften zu konstruieren, weshalb eine völlige Revision dieses Zweigs der Mathematik nötig wurde.

Für jene, die es interessiert, sei diese sogenannte Russellsche Menge kurz vorgestellt: Sie ist definiert als die Menge aller jener Mengen, die sich selbst nicht als Element enthalten. (Manche Mengen tun das, beispielsweise ist die Menge aller Begriffe selbst ein Begriff etc.) Es läßt sich nun ohne Mathematik bloß mit den Mitteln der Logik zeigen, dass die Russellsche Menge genau dann sich selbst als Element enthält, wenn sie es nicht tut, und umgekehrt.

In der Mathematik können selbstverständlich nur innere Widersprüche in indirekten Beweisen auftreten, aber in den empirischen Wissenschaften sind Widersprüche zu gesicherten Fakten ebenfalls zu berücksichtigen. Auch hier gibt es ein berühmtes und sehr einfaches Beispiel: das Olbers-Paradoxon in der Astronomie.

Der deutsche Arzt und Amateur-Astronom Heinrich Wilhelm Olbers führte 1826 den Nachweis, dass ein Universum von der Art, wie man es sich damals vielfach vorstellte (nämlich unendlich groß, unendlich alt, durchsichtig und gleichmäßig mit Sternen angefüllt) nicht existieren kann. In diesem Fall dürfte es nämlich keine nächtliche Finsternis geben, sondern der Himmel wäre Tag und Nacht an jeder Stelle so hell wie die Sonnenscheibe. Da das ganz offensichtlich nicht zutrifft, war ein solcherart beschaffenes Universum somit abgehakt und man mußte nach anderen Modellen suchen.

Die Reductio ad absurdum, deren Nutzen für die Mathematik und die Naturwissenschaft ich nun kurz skizziert habe, ist aber universell gültig und somit auch auf Philosophie und Theologie anwendbar.

Der Widerspruch von Gottes Allmacht und Allwissenheit

Unter "Gott" soll im Folgenden das verstanden werden, was die christliche Theologie mit diesem Begriff bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Person (also ein Wesen mit Bewußtsein und Willen), das seit Ewigkeit besteht und alles Existierende erschaffen hat. Gott ist die höchste Form des Seins und hat die Eigenschaften der Allmacht und der Allwissenheit. Außerdem ist er im moralischen Sinn unendlich gut.

Unter dem Begriff der "Allwissenheit" versteht man, dass es keinen Sachverhalt gibt (sei er vergangen, gegenwärtig oder zukünftig), der dem Allwissenden nicht mit vollkommener Genauigkeit bekannt ist. Das hat eine wichtige Konsequenz, die zwar noch keinen Widerspruch enthält, aber viele Menschen doch befremden dürfte: die totale Determiniertheit der gesamten Zukunft.

Ein zukünftiges Faktum, das gewußt werden kann (egal ob von Gott oder von sonst jemandem) muß sicher sein. Hätte es nämlich einen freien Spielraum, dann wäre kein Wissen möglich, sondern bloß eine Wahrscheinlichkeits-Abschätzung. Weiß Gott beispielsweise, daß es am 6. Juni des Jahres 2500 in Rom regnen wird, dann muß es an diesem Tag dort auch tatsächlich regnen, denn sonst hätte er entweder etwas Falsches "gewußt" oder gar nichts, sondern bloß etwas vermutet. Mit einem allwissenden Gott wäre die Welt also von vornherein bis ins kleinste Detail festgelegt. Unsicherheit könnte nur subjektiv eintreten, wenn man die Fakten nicht kennt. Der allwissende Gott aber müßte sie kennen.

Allerdings – und hier setzt der Widerspruch ein – könnte er daran nichts mehr ändern. Nicht nur Allmacht wäre unmöglich, sondern jedwede Macht. Wenn es einen allwissenden Gott gäbe, dann wäre dieser Gott (und jede andere Person ebenso) vollkommen unfähig, irgendetwas willentlich zu beeinflussen. Der Lauf der Welt würde sich abspulen wie ein Film, an dem nichts mehr zu ändern ist.

Fazit: Einen Gott, der sowohl allmächtig als auch allwissend ist, kann es nicht geben.

Die Widersprüchlichkeit des bloßen Allmachts-Begriffs

Jeder kennt wohl die alte Scherzfrage: "Kann Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, daß er ihn selbst nicht heben kann?". Bei näherer Betrachtung steckt darin eine Menge philosophischer Sprengstoff.

Es kann darauf nur zwei Antworten geben – ja oder nein. Ich habe mit Menschen diskutiert, die entschieden die erste Alternative vertraten: Ja, Gott kann diesen Stein schaffen, weil Gott allmächtig ist. Und anschließend kann er ihn aus dem gleichen Grund auch heben. Der darin enthaltene logische Widerspruch kümmert Gott nicht, denn er steht über der Logik.

Diese Argumentation ist aber nichts weiter als ein sprachlich camoufliertes Eingeständnis der Unmöglichkeit. Was "über der Logik" steht, ist eben unlogisch und deshalb mit den Mitteln der Reductio ad absurdum widerlegbar. Einen in diesem Sinne allmächtigen Gott kann es somit nicht geben.

Das wissen mittlerweile auch die Theologen, weshalb sie die obige Frage verneinen. Ein Stein, den Gott nicht heben könnte, wäre ein Widerspruch zu seiner Allmacht und somit eine Unmöglichkeit. Etwas Unmögliches aber, so sagen sie, kann Gott auch nicht tun.

Das ist eine in zweierlei Hinsicht interessante Position. Erstens macht sie definitiv Abstriche vom semantischen Inhalt des Wortes "allmächtig". Darunter versteht man eine durch nichts eingeschränkte Macht. Wird sie aber durch Logik eingeschränkt, dann ist sie eben keine "All"-Macht im eigentlichen Sinn des Wortes mehr. Das hat übrigens auch nichts mit der Übersetzung zu tun. Was für das deutsche Adjektiv "allmächtig" gilt, trifft gleichermaßen auch auf das lateinische "omnipotens" und das griechische "pankrates" zu. Die Beschneidung der Allmacht zur Vermeidung des logischen Widerspruchs ist somit ein echter Rückzieher.

Allerdings ist das nur der kleinere der beiden Nachteile, die mit der negativen Antwort verbunden sind. Es stellt sich nämlich die Frage, wo die Logik herkommt, an die sich Gott halten muß, und die er nicht verletzen kann. Seine Schöpfung kann sie nicht sein, denn sonst würde sie ja seinem Willen unterliegen und hätte für ihn keine Zwingkraft. Er muß sie also schon vorgefunden haben (und das vor aller Ewigkeit!), denn sie steckt den Rahmen ab, innerhalb dessen er sich auswirken kann. Das absolut Höchste ist ein Gott dieser Art also nicht. Wird er dennoch so definiert, dann liegt ein Widerspruch vor. Einen eingeschränkt "allmächtigen" Gott, der dennoch die höchste Form des Seins ist, kann es somit nicht geben.

Das Theodizee-Problem

Von Gott heißt es, dass er unendlich gut ist, und obwohl dieses Adjektiv "gut" nicht mit gleicher inhaltlicher Strenge gefaßt werden kann wie andere ihm zuerkannte Eigenschaften, treten dennoch gerade hier so massive Widersprüche zur Realität auf, daß darüber in Philosophie und Theologie seit Jahrtausenden gerätselt wird.

Trivialerweise gibt es auf der Welt Dinge, die nicht gut sind, weil sie dazu führen, daß unschuldige Menschen leiden. Warum verhindert das Gott nicht? Will er nicht? Nein, das widerspräche seiner (noch dazu unendlichen) Güte. Oder kann er nicht? Nein, das stünde ja im Widerspruch zu seiner Allmacht. Warum also läßt er so etwas zu?

Die übliche theologische Antwort darauf lautet, dass das eine Folge der menschlichen Willensfreiheit ist. Das ist aber nicht schlüssig, denn viel Leid entsteht aus Ursachen, auf die der Mensch willentlich gar nicht Einfluß nehmen kann (wie beispielsweise ein Erdbeben).

Außerdem ist eine freie Willensentscheidung des Menschen nicht logisch zwingend mit deren kausalen Folgen verbunden. Auch wenn Gott beispielsweise einem bösen Menschen die Freiheit läßt, auf einen Unschuldigen zu schießen, könnte er immer noch die Kugel in ihrem Lauf ablenken, um trotz dieser Freiheit das Opfer vor Schaden zu bewahren. Das tut er aber nicht.

Eine weitere Antwort lautet, dass die Welt eben so beschaffen ist, daß die Freiheit der einen zum Leid der anderen führen kann. Nun, das ist sie offensichtlich, aber wenn Gott diese Welt geschaffen hat, dann ist er auch für ihre Eigenschaften verantwortlich. Er hätte ja auch eine bessere erschaffen können.

Im Gegensatz dazu nahm Leibnitz an, dass unsere Welt bereits die beste alle möglichen ist. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß Menschen kein Problem damit haben, sich eine bessere Welt vorzustellen. Eine solche ist somit keineswegs denkunmöglich. Ein allmächtiger Gott könnte also mit Leichtigkeit eine bessere geschaffen haben, auch wenn er den Gesetzen der Logik unterworfen ist.

Eine weitere Antwort auf das Theodizee-Problem ist die Behauptung, dass alles Schlechte doch letztlich zu etwas Gutem führen wird. Aber abgesehen davon, dass das unschwer als Ausflucht zu erkennen ist, hat es auch keine argumentative Kraft. Einem allmächtigen Gott müßte es sicherlich möglich sein, Gutes auch ohne den Umweg über entsetzliches Leid zu erreichen, wenn er das nur wollte.

Das letzte Verzweiflungs-Argument der Theologie ist der Hinweis, dass das Wort "gut" für Gott eine ganz andere Bedeutung haben kann als für uns. Folgt man dieser Argumentation, dann würde es aber sinnlos, den Menschen zu sagen, dass Gott gut ist, weil der semantische Inhalt dieses Adjektivs für uns Menschen verloren ginge. Da könnte man ebensogut ein anderes nichtssagendes Wort verwenden und beispielsweise behaupten "Gott ist unendlich babig". Das wäre sogar noch besser, weil dann keine durch Synonymie hervorgerufene Irreführung mehr einträte.

Die Antwort der Theologie

Werden Gläubige mit den in diesem Artikel vorgebrachten logischen Einwänden so lange konfrontiert, bis ihnen klar wird, daß sie keine Chance mehr haben, sie zu zerstreuen, dann tritt üblicherweise eine charakteristische Reaktion ein: Sie versuchen, der ihnen lästig gewordenen Diskussion auf eine nicht-argumentative (und somit irrationale) Weise zu entfliehen. Kinder und einfache Menschen, die so reagieren, verwenden dabei gerne den Ausdruck "aber trotzdem!".

Theologen käme das wohl zu ungebildet vor, weshalb sie ein lateinisches Äquivalent vorziehen: "Est mysterium fidei" – das ist ein Geheimnis des Glaubens. Will man das auf die Spitze treiben, dann kann man sich noch eines weiteren berühmten lateinischen Satzes bedienen: "Credo, quia absurdum est" – gerade, weil es absurd ist, glaube ich. Na ja, dem ist dann wohl nichts mehr hinzuzufügen.

Resümee

Der monotheistische Gott der christlichen Theologie hat dogmatisch festgelegte Eigenschaften, die zu logischen und faktischen Widersprüchen führen. Es ist somit sicher, dass es einen so beschaffenen Gott nicht geben kann. Zwar ist es möglich, den Gottesbegriff so abzuwandeln, dass alle hier beschriebenen Antinomien nicht mehr eintreten, aber das wäre dann eben ein anderer Gott und nicht mehr der hier besprochene christlich-monotheistische. Im Hinblick auf diesen jedenfalls ist die Gültigkeit des Atheismus beweisbar.

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